Islamische Finanzprodukte – was die Scharia erlaubt und was nicht

Obwohl Menschen im Mittleren Osten und Nordafrika seit Jahrhunderten den Regeln des Islam folgen, haben islamkonforme Finanzierungen und Investitionen als Produktgruppe erst in den letzten Jahren an größerer Bedeutung gewonnen. Ein Grund für die langsame Entwicklung ist, dass das Finanzwesen in vielen zumeist armen muslimischen Ländern bis heute unterentwickelt und der Bedarf an islamkonformen Produkten gering ist. Ein weiterer Grund sind die Regeln der Scharia, das Gesetz des Islam, die islamische Finanzprodukte im globalen Vergleich weniger attraktiv gemacht haben. Aber der zunehmende Reichtum der arabischen Ölstaaten, die wirtschaftliche Entwicklung südostasiatischer muslimischer Staaten wie Malaysia und Indonesien und nicht zuletzt die Finanzkrise haben islamischen Finanzprodukten zum Aufstieg verholfen. Der Markt für islamische Finanzprodukte hat sich in den letzten Jahren vervielfacht aber ist dennoch ein verhältnismäßig kleiner Nischenmarkt.

Scharia verbietet Erhebung von Zinsen

Eines der Grundprinzipien der Scharia ist das Zinsverbot. Die Idee der islamischen Wirtschaftstheorie ist, dass Geld nur ein Mittel zum Zweck ist, das heißt, es sollte verwendet werden, um Produkte zu kaufen oder zu investieren. Wer sein Geld investiert, um Profit zu erzielen, muss gleichzeitig das Risiko des Kapitalverlusts hinnehmen. Profite aus eigener Arbeit oder aus unternehmerischem Risiko sind erlaubt, Zinsen nicht. Das heißt, Aktieninvestitionen und andere Unternehmensbeteiligungen sind schariakonform, solange sie nicht gegen andere Gesetze verstoßen. Wichtig bei Geldtransaktionen nach islamischem Recht ist, dass ihnen reale Wirtschaftsgüter zugrunde liegen.

Kredite islamkonform strukturieren

Problematisch ist das Zinsverbot vor allem für das Kreditgeschäft. Moslems dürfen weder Auto noch Haus auf Kredit kaufen. Islamische Banken haben daher eine andere Struktur entwickelt, um Finanzierungen islamkonform zu gestalten. Die Bank erwirbt den Gegenstand, der finanziert werden soll, also das Auto oder das Haus, und verkauft es an den eigentlichen Käufer zu einem etwas höheren Preis weiter. Der Käufer zahlt den Preis in Raten ab. Bei dieser Struktur werden die Zinsen in eine Handelsmarge umgewandelt, also in einen Profit, der nach der Scharia erlaubt ist. Auch wenn diese Struktur zur Umgehung von Zinsen etwas spitzfindig erscheint, werden diese Produkte vom Religionsrat normalerweise genehmigt.

Halal versus haram – erlaubte und verbotene Geschäfte

Neben dem Zinsverbot gibt es aber noch weitere Geschäfte, die durch die Scharia verboten, also haram, sind. Dazu zählen beispielsweise Produktion und Handel von Alkohol und Schweinefleisch sowie Produkte und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Pornografie und Prostitution. Auch Spekulation und Glücksspiele sind verboten. Aktien und Unternehmensbeteiligungen sind also nur dann erlaubt, also halal, wenn die betroffenen Unternehmen nicht verbotenen Geschäften nachgehen.

Aber sogar Kryptowährungen werden mittlerweile islamkonform erstellt. In diesem Artikel stellten wir u.a. den Caizcoin vor, der vom islamischen Rat ein Fatwa Zertifikat erhalten hat und dadurch als konform gilt.

Unterschiedliche Auslegungen des Koran behindern Entwicklung

Islamische Banken waren beispielsweise kaum von der Finanzkrise 2008 betroffen, da es ihnen nicht erlaubt war, in Produkte wie US-Immobilienverbriefungen, die der wichtigste Auslöser für die Finanzkrise waren, zu investieren. Obwohl die Wachstumsaussichten für islamische Finanzprodukte aufgrund der wachsenden Nachfrage in Südostasien, dem Mittleren Osten und einigen afrikanischen Ländern positiv sind, gibt es jedoch noch einige Hürden. Das größte Problem ist die mangelnde Standardisierung. Die Auslegung des Koran, der heiligen Schrift des Islam, weicht von Land zu Land ab. Was in einem Land als islamkonform gilt, kann in einem anderen verboten sein.

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