Vorsicht bei Zertifikaten!

Heute geht es nicht direkt um Aktien, sondern um sogenannte Investment-Zertifikate. Da diese Form des Investierens weit verbreitet ist und sehr stark beworben wird, ist es uns ein Anliegen auch darüber zu berichten und die Unterschiede zu einem Aktien-Investment herauszustreichen.

Hierzulande gibt es auch deshalb viele Aktienmuffel, weil sie mit Empfehlungen für Zertifikate von ihrem “Vermögensberater”, Bankbetreuer, etc. schlechte Erfahrungen gemacht haben. Viele werden also schon davon gehört haben, und wahrscheinlich diese Produkte auch von Bankberater ihres Vertrauens bereits angeboten bekommen haben.

Es handelt sich bei Zertifikaten um eine Form von Derivaten (was so viel bedeutet wie “Abgeleitete” Wertpapiere), da sich der Wert eines Derivates von der Entwicklung des Preises eines Basis-Wertpapiers (meistens einer Aktie) ableitet. Der Preis eines Derivates steigt bzw. fällt in Abhängigkeit seines Basiswertes (auch “Underlying” genannt) in einem bestimmten, nicht immer linearen Verhältnis, oft auch mit starker Hebelwirkung.

Für Anfänger sind Derivate allerdings nicht zu empfehlen!

Erst wenn man genau versteht, wie sich der Wert eines Derivates in Abhängigkeit seines Basiswertes entwickeln kann, welche Szenarien und welche Risiken es gibt, sollte man überlegen darin zu investieren.

Was ist nun von Zertifikaten zu halten?

Gleich einmal vorweg: Was an der Sache am meisten stört, ist, dass fast alle Banken als Herausgeber von Zertifikaten agieren und so tun, als ob diese Anlagemöglichkeit sicher und für jedermann geeignet ist, selbst dann, wenn man sehr wenig Erfahrung hat.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung

Hier ein Angebot einer beliebigen Bank (stammt aus einer Werbebroschüre):

Ihr Anlageprofil:

  • Sie erwarten eine stagnierende, leicht steigende Kursentwicklung der Basiswerte
  • Ihr Anlagehorizont beträgt 2 Jahre

Die Vorteile auf einen Blick:

  • Eine hohe und feste Zinszahlung von 8,50% pro Zertifikat an jedem Beobachtungstag
  • Hohe Diversifikation der Branchen und niedrige Barriere von 60% erhöhen die Chancen einer maximalen Rückzahlung am Ende der Laufzeit
  • Ausgezeichnete Bonität des Emittenten: S&P Rating A und Moody’s Rating A++
  • Etablierte Basiswerte: Deutsche Börse AG, RWE AG, GDF Suez und Total SA

Die wesentlichen Risiken

  • Bei Kurssteigerungen der Basiswerte sind die Zinszahlungen und der Rückzahlungsbetrag fest. Dies bedeutet, dass der Anleger nicht in allen Fällen an Kurssteigerungen partizipiert.
  • Die Höhe der Rückzahlung kann bei entsprechend negativer Entwicklung der Basiswerte null betragen. Es besteht die Möglichkeit eines Totalverlustes.
  • Bonitätsrisiko des Emittenten: Bei Zahlungsunfähigkeit der XXX-Bank besteht das Risiko des Totalverlustes.

Was bedeutet das nun?

Für einen Anfänger liest sich das so:

  • 8,5% Zinszahlung klingen schon mal hervorragend. Da kann kein Sparbuch mithalten.
  • Hohe Diversifikation (vier verschiedene Basiswerte), auch sehr gut, Risikostreuung ist schließlich wichtig.
  • Als erstes Risiko wird genannt, dass man nicht voll von Kurssteigerungen profitiert, sondern eben maximal 8,5% p.a. erhält – egal man ist ja bescheiden.
  • Es besteht die Möglichkeit eines Totalverlustes – “Das müssen sie dazuschreiben, das wird eh nie passieren.”
  • Emittentenrisko: Dass meine Bank pleitegeht ist sehr unwahrscheinlich, schließlich werden die Banken im Notfall sowieso immer vom Staat gerettet.

Wie funktioniert das genannte Zertifikat wirklich?

Jedes Zertifikat ist ein von einem “Emittenten” – meistens einer Bank – herausgegebenes Wertpapier, welches eine bestimmte Laufzeit hat und in Abhängigkeit von einem oder mehreren Basiswerten Auszahlungen verspricht.

Es gibt also unzählige Möglichkeiten so ein Zertifikat zu gestalten. Die einfachste Möglichkeit sind z.B. Open-End Index-Zertifikate welche einen Index 1:1 abbilden und eine endlose Laufzeit haben. Man kann mit diesen Zertifikaten z.B. für EUR 100,- den DAX kaufen und nach einiger Zeit wieder an die Bank zurückverkaufen. Bei gestiegenem DAX mit entsprechendem Gewinn, ansonsten mit Verlust.

Da die Bank der Emittent des Zertifikates ist, ist das Zertifikat quasi ein Versprechen der Bank, zu bestimmten Bedingungen an einem bestimmten Zeitpunkt Zahlungen an den Zertifikatsinhaber zu leisten.

Risiko bei Zertifikaten

Kann die Bank diesen Zahlungsversprechen nicht nachkommen, ist das Zertifikat wertlos – das ist das sogenannte Emittentenrisiko. Dieses Risiko ist in der Vergangenheit auch bereits relevant geworden. Der größte und bekannteste Fall war die Pleite von Lehman Brothers im September 2008. Lehman hatte abertausende von Zertifikaten aufgelegt und an Millionen von Anlegern verkauft, welche nach der Pleite nur noch durch die Finger schauen konnten.

Zur Information: Aktien, Fonds und ETFs sind Sondervermögen und bleiben auch bei Insolvenz Ihrer Bank ihren Wert. Daher können diese an einen anderen Broker übertragen werden und kommen nicht in die Insolvenzmasse der „Pleitebank“. Zertifikate hingegen sind kein Sondervermögen.

In diesem Fall hat das Zertifikat eine Laufzeit von zwei Jahren und verspricht eine Zinszahlung von jährlich 8,5% wenn keiner der vier Basiswerte während dieser Laufzeit unter eine Barriere von 60% des Aktienkurses fällt, welchen sie zum Ausgabezeitpunkt des Zertifikates hatten. Wenn am Ende der Laufzeit alle vier Basiswerte über der Barriere notieren, erhält der Anleger seinen Einsatz zurück.

Sollte EINER der vier Basiswerte während der Laufzeit unter diese Barriere fallen, so erhält der Anleger am Ende der Laufzeit (also nach zwei Jahren) kein Geld, sondern die Aktien von demjenigen Basiswert mit der SCHLECHTESTEN Performance.

Da kann man durchaus der Ansicht sein, dass das Täuschung des Anlegers ist.

Es wird mit Diversifikation geworben, aber das Gegenteil ist der Fall.

Normalerweise bedeutet Diversifikation, dass man das Risiko streut, also z.B. vier Aktien kauft und wenn eine davon schlecht geht und die anderen gut, der Verlust eingedämmt wird bzw. vielleicht sogar noch ein Gewinn herausschaut.

Es ist unglaublich, aber hier trifft exakt das Gegenteil zu. Da man auf jeden Fall Angst haben muss, dass sich einer der vier Basiswerte schlecht entwickelt, ist man nicht diversifiziert, sondern man hat quasi das vierfache Risiko. Hätte man nur einen Basiswert müsste man nur einmal “schwitzen”. In diesem Fall hier, muss man aber für vier Aktien hoffen, dass KEINE davon die untere Barriere berührt. Unglaublich, dass so etwas heutzutage als “Diversifikation” verkauft wird.

Gerade Unerfahrene können aber hier sehr schnell drauf hereinfallen.

Fazit zum Beispiel

Das Beispiel zeigt, wie Zertifikate oft als einfache Produkte verkauft werden, die Sicherheit (in diesem Fall z.B. durch Diversifikation) und hohe Erträge versprechen. In Wirklichkeit sind es oft (auch im Beispielfall) komplexe Derivate, die von der Bank durch viele Optionsgeschäfte abgebildet werden müssen. Wenn man also nicht weiß, wie genau Optionen funktionieren, oder vielleicht noch nie davon gehört hat, dann sollte man von dem Zertifikat auch die Finger lassen. In dem Moment in dem man dieses Zertifikat kauft, geht man automatisch indirekt Positionen in mehreren Optionsgeschäften ein – ohne es zu wissen.

Es gibt aber von vielen Emittenten ähnliche Zertifikate wie dieses Beispiel. Sie heißen z.B. “Protect Multi Aktienanleihe” oder “Multi Aktienanleihe Protect” oder nur “Multi Aktienanleihe“. Die Namensgebung hängt also von der Qualifikation der Marketingabteilung des Emittenten ab.

Was ist bei Zertifikaten generell zu beachten?

Das Beispiel hat bereits gezeigt, wie komplex ein – sicher für jeden Bankberater einfach zu verkaufendes Produkt – sein kann.

Generell ist wichtig zu wissen, dass Zertifikate meistens eine beschränkte Laufzeit haben und die Auszahlung ist abhängig von einem oder mehr Basiswerten. Wenn sich der Basiswert während der Laufzeit nicht gut entwickelt, können große Verluste entstehen, die bei einer direkten Investition in den Basiswert einfach “ausgesessen” werden können, sofern man an das Unternehmen glaubt. Kurzfristige Kursverfälle können aufgrund der Psychologie an der Börse durchaus vorkommen aber bei einem Zertifikat kann dies einen Verlust bedeuten, denn man nicht aussitzen kann.

Zeitliche Beschränkung Zertifikate

Bei der direkten Investition ist man schließlich direkt beteiligt und kann die Aktie solange halten wie man möchte. Das Zertifikat läuft aber irgendwann aus. Es ist also eine zeitlich begrenzte Wette auf den Kursverlauf und ist deshalb keine langfristige Investition. Es ist allgemein bekantn, dass der Kursverlauf von Aktien stark schwanken kann, auch bei fundamental guten Unternehmen. Wenn man vom Unternehmen überzeugt ist, ist das egal, AUSSER man wettet zeitlich begrenzt auf den Kursverlauf.

Als Zertifikate-Investor ist man Gläubiger des Emittenten und keineswegs direkt am Basiswert beteiligt.

Wenn man eine Aktie kauft, ist man am Unternehmen beteiligt. Man hat ein Stimmrecht auf der Hauptversammlung und ein Recht auf anteilige Dividenden etc. Wenn man über ein Zertifikat an der Wertentwicklung einer Aktie beteiligt ist, so hat man nur das Versprechen des Emittenten abhängig von der Kursentwicklung der Aktie Zahlungen zu leisten. Man ist NICHT an der Firma direkt beteiligt, kann nicht auf die Hauptversammlungen gehen und abstimmen und hat auch kein Recht auf die Dividenden – in manchen Fällen werden einem die vom Emittenten auch weitergeleitet, aber nicht immer.

Schlusswort

Wir würden niemanden empfehlen zu Zertifikaten zu greifen. Anfängern deshalb nicht, weil es zu komplexe Produkte sind und Fortgeschrittene können immer Alternativen finden. Man kann jedes Zertifikat selbst nachbilden z.B. über Optionen.

Das einfachste Beispiel einer sinnvollen Alternative sind die Indexzertifikate: Es gibt auch ETFs welche ebenfalls den Index nachbilden. Beim ETF aber ist man direkt an den Unternehmen im Index beteiligt, da man an einem Fonds beteiligt ist, der die Aktien wirklich hält. Das Emittentenrisiko ist damit ausgeschlossen. Auch Dividenden bekommt man 1:1 weitergereicht bzw. teilweise werden diese direkt reinvestiert (thesaurierend).

Bein Indexzertifikat hingegen hat man nur das Versprechen des Emittenten, immer den Kurswert des Indizes für das Zertifikat zu bezahlen. Der Emittent muss dafür nicht zwingend auch die Basiswerte alle halten und wenn er einmal nicht bezahlen kann ist das einfach Pech. (siehe Lehman Brothers)

Weltderfinanzen.net
Logo